„Wir müssen Autos effizienter nutzen“

Wie die Verkehrswende auf dem Land gelingen kann, zeigen vorbildliche Initiativen vor Ort. Manche Idee ist so gut, dass sie landesweit umgesetzt werden sollte, erklärt Klaus Wortmann von der gemeinnützigen Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EKSH).

Herr Wortmann, der ÖPNV lässt sich auf dem Land nur begrenzt ausbauen. Geht es nicht ohne Auto?

Ohne Pkw mobil zu sein, ist auf dem Land natürlich schwieriger als in der Stadt. Aber es könnten viel weniger Autos sein, die wir effizienter nutzen. Im Schnitt sitzen nur 1,5 Personen im Auto. Mit Fahrgemeinschaften ließe sich der Pkw-Verkehr deutlich reduzieren. Ein großer Erfolg wäre es auch, mit Carsharing die Zweit- und Drittwagen abzuschaffen. Das kann mit Initiativen wie dem erfolgreichen Dörpsmobil gelingen.

Trotz solcher Vorzeigeprojekte kommen wir beim Reduzieren des Autoverkehrs kaum vom Fleck ...

Einerseits braucht es mehr gute Alternativen, um das Auto öfter stehen zu lassen. Der gewohnte Komfort des eigenen Autos und die darauf ausgerichtete Stadt- und Verkehrsplanung sind allerdings hohe Barrieren für den Umstieg. Aufschlussreich ist eine von uns geförderte Studie des geografischen Instituts der Universität Kiel zum gemeinsamen Fahren im ländlichen Raum – und was dies so schwer macht. Wir müssen auch die Mentalitäten der Nutzenden berücksichtigen. Dass sich hier ein Wandel vollzieht, merke ich an den vielen jungen Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad zum Kindergarten bringen.

Bringen autonome Fahrzeuge einen Schub für den Nahverkehr in der Fläche?

Autonome Kleinbusse, die nach Bedarf fahren, wären sicher ein Baustein für die Verkehrswende auf dem Land. Das wird aber noch etwas dauern. Schon heute macht die Digitalisierung die klimafreundliche Mobilität attraktiv. Shuttles sind online buchbar und ich sehe auf dem Smartphone, wann mein Fahrzeug kommt. Und im Amt Hüttener Berge ist auf einem Portal zu erkennen, ob ich am besten mit Dörpsmobil, ÖPNV oder einem Mitfahrservice zum Ziel komme.

Das ist eine lokale Initiative – wie lässt sich diese auf andere Orte übertragen?

Das Amt Hüttener Berge hat von der EKSH eine Förderung für die Verbreitung des Mobilitätsportals erhalten. Anderen Kommunen soll die Übernahme damit leicht gemacht werden. Ideal wäre eine Verknüpfung zu einem landesweiten Angebot. Auch die Idee des Dörpsmobils konnte mithilfe unserer Förderung leichter in anderen Orten übernommen werden. Inzwischen gibt es in Schleswig-Holstein fürs E-Carsharing etwa 30 Initiativen, die die gleiche Buchungssoftware nutzen. Auch mit der Energie-Olympiade, die seit 2007 vorbildliche Projekte auszeichnet, machen wir tolle Beispiele bekannter. Zuletzt haben wir zwei Kommunen in der ‚Disziplin‘ Mobilitätspreis ausgezeichnet.

Wie gewinnt man auch die Gäste in den Urlaubsregionen für eine nachhaltige Mobilität?

Ziel muss es sein, dass mehr Personen mit dem Zug anreisen und sich vor Ort mit dem ÖPNV bewegen. Ein von der EKSH geförderter Leitfaden des Tourismusverbands versammelt viele gute Ideen dazu. Auch der touristische Verkehr kann durch digitale Lösungen klimafreundlicher werden. So zeigt die Strandampel in der Lübecker Bucht, wo es keine Kapazitäten mehr gibt. Statt dort vergeblich Parkplätze zu suchen, können sich die Urlauber woanders erholen. Und die Anwohner werden entlastet.

Wie sind Sie selbst unterwegs?

Ein bewusst genutztes Auto gehört noch zu unserem Haushalt. Wenn es ausgemustert wird, werden wir wohl Carsharing nutzen. Für tägliche Fahrten ziehe ich ohnehin das Rad vor. Ich liebe die Bewegung und habe das Glück, aus dem Vorort mit dem Fahrrad in die Stadt zu kommen.

Dr. Klaus Wortmann

Dr. Klaus Wortmann verantwortet bei der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein GmbH (EKSH) den Bereich Gesellschaft, Kommunen & Zukünfte. In Bereichen wie Nachhaltige Mobilität, Erneuerbare Energien, Sektorenkopplung und Energieeffizienz fördert die EKSH vorbildliche Vorhaben und Programme. www.eksh.org

Weitere Artikel

e-nema Firmensitz in Schwentinetal

1.000ster Jobticket-Rahmenvertrag – wir fragen nach

Das Jobticket von NAH.SH ist eine echte Erfolgsgeschichte. Das war es sogar schon, bevor das Deutschlandticket auf den Markt kam. Seit 2021 schließen immer mehr Unternehmen einen Jobticket-Rahmenvertrag ab und erleichtern so ihren Beschäftigten den Umstieg auf saubere Mobilität. Bereits über 40.000 Schleswig-Holsteiner*innen fahren mit dem Jobticket von NAH.SH.

Jetzt lesen
Hauptbahnhof Kiel

Bühne frei für unsere Bahnhöfe! Teil I

In Bahnhöfen genießen Menschen den ersten Kaffee vor Arbeitsbeginn, kaufen sich eine Zeitung mit den neuesten Nachrichten oder sammeln die ersten Eindrücke des Ortes, an dem sie gerade ankommen. An den Bahnsteigen stehen sie und winken zum Abschied, feiern Wiedersehen mit freudigen Umarmungen, warten voll Vorfreude oder sprinten die Treppen hoch, um ihren Zug in letzter Minute doch noch zu erwischen.

Jetzt lesen

Generalsanierung Hamburg – Berlin

Ab August 2025 wird die Strecke zwischen Hamburg und Berlin für neun Monate komplett gesperrt. Ein echter Kraftakt für alle Beteiligten, aber auch ein notwendiger Schritt in die Zukunft, der am Ende alle schneller voranbringt. Das erwartet Schleswig-Holstein.

Jetzt lesen
Ein Akkuzug und ein Bus von NAH.SH

Unser ÖPNV: Ein echter Wirtschaftsmotor?

Wenn über den ÖPNV gesprochen wird, geht es oft um Taktung, Ticketpreise oder Verspätungen. Um seine Bedeutung für die Wirtschaft geht es eher selten. Dabei ist der ÖPNV ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor, wie eine aktuelle Studie des Münchner Clusters für die Zukunft MCube im Auftrag der DB Regio AG jetzt erstmals zeigt.

Jetzt lesen
E-Busse der KVG an einemLadepunkt

Saubere Leistung: Busse auf Zukunftskurs

Auch wenn die Mobilitätswende derzeit noch ein Ziel ist, auf den Straßen Schleswig-Holsteins ist sie bereits sicht- und (kaum) hörbar. Denn moderne Busse mit leisen, sauberen Antrieben prägen zunehmend das Bild sowohl in den Städten, als auch im ländlichen Raum.

Jetzt lesen
Illustration von 4 Menschen und dem Deutschlandticket von NAH.SH

Happy Birthday Deutschlandticket!

Das beliebte Deutschlandticket soll bleiben. Wie das Ticket den Verkehr verändert hat – eine Bilanz.

Jetzt lesen
NAH.ran! - Das Magazin

NAH.ran! - Das Magazin für Nachhaltigkeit, Haltung und Mobilitätswende

Magazin als PDF lesen