„Von Barrierefreiheit profitieren alle“

Milan Boje kümmert sich bei NAH.SH darum, im Nahverkehr ungehinderte Mobilität für alle zu erreichen. Bereits neun von zehn Bahnstationen sind barrierefrei.

Herr Boje, was umfasst Barrierefreiheit?

Viele denken dabei zuerst an Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Stufenfreie Fahrzeuge, Stationen und Haltestellen sind bei dem Thema tatsächlich ein Schwerpunkt. Es geht aber auch darum, dass sich Blinde etwa anhand von Rillenplatten im Boden orientieren können. Oder dass schlecht Hörende auf digitalen Kanälen informiert werden. Das wird durch das Zwei-Sinne-Prinzip gewährleistet. Von einem Gleiswechsel erfahre ich auf mehreren Wegen – von der Durchsage über Displays am Bahnsteig bis zur App.

Wie viele Menschen sind darauf angewiesen?

Das lässt sich kaum in Zahlen fassen. Von der Stufenfreiheit profitieren zum Beispiel alle, die mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen unterwegs sind. Barrierefreie Designs kommen aber letztlich allen Fahrgästen zugute. Wer mal mit dem Fahrrad, einem dicken Koffer oder gebrochenen Bein unterwegs ist, wird das schnell merken. Ein Großteil der körperlichen Einschränkungen entsteht mit dem Alter. Früher oder später können wir also alle auf einen barrierefreien ÖPNV angewiesen sein, um eigenständig mobil zu bleiben.

Wo stehen wir auf dem Weg zur Barrierefreiheit?

In den vergangenen beiden Jahren sind wir bei den Bahnstationen ein großes Stück vorangekommen. Mehr als neunzig Prozent sind bereits barrierefrei, bei vielen übrigen laufen Planungen. Damit liegt Schleswig-Holstein deutschlandweit vorn. Auch bei den Fahrzeugen gibt es große Fortschritte, alle neu angeschafften erfüllen die Vorgaben. Stationen und Züge sind durch Standards wie der 76 Zentimeter hohen Bahnsteigkante immer besser aufeinander abgestimmt. Mit dem Einsatz der neuen Fahrzeuge ab 2028 im Netz Mitte und dem Umbau weiterer Bahnhöfe wie zum Beispiel Neustadt in Holstein und Sierksdorf will das Land die Barrierefreiheit weiter voranbringen.

Rund um die Bahn hat sich viel getan – wie sieht es beim Busverkehr aus?

Auch hier sind die Fahrzeugflotten schon gut ausgestattet. Absenkbare Busse ermöglichen auch bei unterschiedlich hohen Kantsteinen ein rollstuhlgerechtes Ein- und Aussteigen. Alternativ gibt es klappbare Rampen. Bei den Bushaltestellen gibt es grade auch im ländlichen Raum noch Luft nach oben. Hier spielen Fragen wie Zuständigkeit und Finanzierung eine Rolle. Um aufzuzeigen, welche Bauweise barrierefrei ist, hat NAH.SH einen Leitfaden herausgegeben. Dieser soll allen Beteiligten vor Ort bei der Umsetzung helfen.

Wann wird der gesamte Nahverkehr barrierefrei sein?

Der Prozess der Verbesserung hört nie auf. Dafür sind wir auch auf die Rückmeldung von Betroffenen angewiesen. Zudem laden wir Behindertenverbände und Verkehrsunternehmen regelmäßig an einen runden Tisch. Bei der barrierefreien Mobilität werden wir durch bauliche Verbesserungen weiter vorankommen. Zugleich braucht es gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis füreinander. Ein Platz für Mobilitätseingeschränkte nützt nur dann etwas, wenn er bei Bedarf auch frei gemacht wird.

Weitere Artikel

Hauptbahnhof Kiel

Bühne frei für unsere Bahnhöfe! Teil I

In Bahnhöfen genießen Menschen den ersten Kaffee vor Arbeitsbeginn, kaufen sich eine Zeitung mit den neuesten Nachrichten oder sammeln die ersten Eindrücke des Ortes, an dem sie gerade ankommen. An den Bahnsteigen stehen sie und winken zum Abschied, feiern Wiedersehen mit freudigen Umarmungen, warten voll Vorfreude oder sprinten die Treppen hoch, um ihren Zug in letzter Minute doch noch zu erwischen.

Jetzt lesen

Generalsanierung Hamburg – Berlin

Ab August 2025 wird die Strecke zwischen Hamburg und Berlin für neun Monate komplett gesperrt. Ein echter Kraftakt für alle Beteiligten, aber auch ein notwendiger Schritt in die Zukunft, der am Ende alle schneller voranbringt. Das erwartet Schleswig-Holstein.

Jetzt lesen
Ein Akkuzug und ein Bus von NAH.SH

Unser ÖPNV: Ein echter Wirtschaftsmotor?

Wenn über den ÖPNV gesprochen wird, geht es oft um Taktung, Ticketpreise oder Verspätungen. Um seine Bedeutung für die Wirtschaft geht es eher selten. Dabei ist der ÖPNV ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor, wie eine aktuelle Studie des Münchner Clusters für die Zukunft MCube im Auftrag der DB Regio AG jetzt erstmals zeigt.

Jetzt lesen
E-Busse der KVG an einemLadepunkt

Saubere Leistung: Busse auf Zukunftskurs

Auch wenn die Mobilitätswende derzeit noch ein Ziel ist, auf den Straßen Schleswig-Holsteins ist sie bereits sicht- und (kaum) hörbar. Denn moderne Busse mit leisen, sauberen Antrieben prägen zunehmend das Bild sowohl in den Städten, als auch im ländlichen Raum.

Jetzt lesen
Illustration von 4 Menschen und dem Deutschlandticket von NAH.SH

Happy Birthday Deutschlandticket!

Das beliebte Deutschlandticket soll bleiben. Wie das Ticket den Verkehr verändert hat – eine Bilanz.

Jetzt lesen
Zwei Personen an einer Bushaltestelle

Mobil mit 90 Jahren

Unkompliziert und günstig unterwegs sein – das Deutschlandticket macht es möglich. Eine 90-Jährige und ihre Freundinnen sind auch aus anderen Gründen treue Fans des Tickets.

Jetzt lesen
NAH.ran! - Das Magazin

NAH.ran! - Das Magazin für Nachhaltigkeit, Haltung und Mobilitätswende

Magazin als PDF lesen