„Nichts tun – das geht für mich nicht.“

Lebensmittelverschwendung auf der einen, Schulkinder ohne eine warme Mahlzeit am Tag auf der anderen Seite. Die ResteRitter aus Kiel haben eine Lösung für beide Missstände gefunden. Ein Besuch bei Moritz Dietzsch, ResteRitter der ersten Stunde.

Moritz steht in einer Holzbude und schreddert alte Brötchen. Eine Handvoll davon kommt in eine Küchenmaschine, die daraus Brotkrümel macht. Neben ihm stehen große Behälter mit bereits gehackten Zwiebeln und gewürfelten Gemüsen. Am Ende werden daraus Brotfrikadellen. Im Ofen backt frisches Bananenbrot …

In der Küche auf dem „NORDEN Festival“ kochen Moritz und die anderen ResteRitter täglich zwischen 200 und 400 Essensportionen. Das Besondere: Sie verarbeiten größtenteils Lebensmittel, die sonst im Müll gelandet wären. Brötchen von gestern oder vorgestern, Obst und Gemüse mit Stellen vom Großmarkt, Äpfel von Bäumen, die sonst nicht abgeerntet werden würden – Reste eben, ritterlich gerettet.

Die ResteRitter gibt es seit Ende 2017. Angefangen hat alles im Geografiestudium, als die Student*innen gefragt wurden, welches sozialökonomische Problem sie aktuell am meisten beschäftigt. Moritz’ Antwort: Lebensmittelverschwendung – und Schulkinder, die kein warmes Essen am Tag bekommen.

Zusammen mit zwei Kommilitonen entwickelt Moritz eine Idee für eine kombinierte Lösung: Lebensmittel retten, zu Produkten verarbeiten und einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf dieser Produkte für ein warmes Schulessen spenden. Was sie nicht retten, kaufen sie saisonal und regional zu. „So können wir zur Lösung des Problems beitragen. Es geht ganz einfach. Und schmeckt gut!“

Von Beginn an stellen sich die ResteRitter als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf. „Das Problem ist ein unternehmerisches, das wollen wir auch unternehmerisch lösen.“ Die ResteRitter-Fruchtaufstriche, Chutneys, Apfelseccos und eingelegten Gemüsen werden in „Unverpackt“- und anderen kleinen Läden in Schleswig-Holstein und über den ResteRitter-Onlineshop verkauft.

Jedes Wochenende trifft sich das Team in einer Schulküche in Kiel-Gaarden, die sonst ungenutzt ist, schnippelt, kocht und legt ein, rund zehn Stunden am Stück. „Was da ist, wird verwertet.“ Außerdem gibt es Erntetage auf der Apfelwiese eines Kieler Golfclubs, gebuchte Caterings, Festival-Einsätze, Projekttage an Schulen und, und, und.

2021 haben sie zudem die „Spülbar“ übernommen. Auf das „NORDEN Festival“ ist diese mobile Spülküche mit zwei Lastwagen angereist. In den Kisten stapeln sich Tausende Teller, Tassen und anderes Geschirr. Einmal benutzt, werden sie an Sammelstellen abgegeben, gespült, abgeholt und wieder eingesetzt – ein Projekt zur Vermeidung von Einweggeschirr und die perfekte Ergänzung zur ResteRitter-Küche.

Der Zeitaufwand für den Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung und Müllproduktion ist hoch. Von ihrer Idee leben können Moritz und die anderen ResteRitter trotzdem nicht. „So ein Problem kann ich einfach nicht sehen, ohne etwas dagegen zu tun“, bringt Moritz seine persönliche Motivation auf den Punkt. Haltung zeigen eben.

Sein Tipp, wie auch ihr lecker und unterhaltsam Haltung zeigen könnt:

Ein paar Freund*innen einladen. Alle bringen mit, was sie noch an Resten im Kühlschrank haben. Und dann wird gemeinsam gekocht. „Am Ende habt ihr ein kreatives, leckeres Menü und einen netten Abend. Ein paar Verwertungs-Klassiker findet ihr auf den Seiten der ResteRitter im Internet: www.resteritter.de

Weitere Artikel

Weltoffenheit fährt vor

Zehn Fahrer aus Tunesien sind seit Dezember Teil des Busfahrer*innenteams von Autokraft an den Standorten Kiel, Eckernförde und Eutin. Dass sie hier mit am Lenkrad sitzen, ist Ergebnis eines gut vorbereiteten Prozesses, den Autokraft mit der VISABEE GmbH und großem Eigenengagement von Führung und Mitarbeitenden erarbeitet und umgesetzt hat.

Jetzt lesen

„Durch nachhaltige Mobilität gewinnen wir Lebensqualität!“

Das Mobilitätswende-Modellprojekt SMILE24 zeigt, wie Menschen in ländlichen Regionen ohne eigenes Auto mobil sein können – rund um die Uhr. Das innovative Projekt für nachhaltige Mobilität in der Schlei-Region stand im Mittelpunkt des NAH.SH-Zukunftsforums am 6. März 2025 im Alten Güterbahnhof in Kiel. Rund 100 Gäste aus Kommunen, Politik und Wirtschaft nutzten die Gelegenheit, sich über die Erfahrungen aus der Modell-Region zu informieren und auszutauschen.

Jetzt lesen

Schmuddelwetter? Macht doch nichts!

Zu nass, zu kalt, zu windig – bei miesem Wetter steigen manche lieber vom Rad auf Bahn und Bus um. Anderen genügen schon ein paar Tropfen, um mit dem Auto zur Arbeit zu pendeln. Wie beeinflusst das Wetter eigentlich unsere Mobilität?

Jetzt lesen

Bauen für bessere Verbindungen

Die Deutsche Bahn investiert endlich mehr in die überalterte Infrastruktur. Baustellen und Ersatzverkehr sind die Folge. Das nervt – doch nur so können Verbindungen zuverlässiger und besser werden.

Jetzt lesen

Elf Minuten Weltpremiere

Sauber, leise, komfortabel – seit mehr als einem Jahr sind batteriebetriebene Züge in Schleswig-Holstein unterwegs. Die 55 Fahrzeuge bedienen 40 Prozent des Bahnverkehrs im echten Norden. Bei NAH.SH hat das Team um Ruth Niehaus die weltweit erste Akkuzugflotte vorangetrieben.

Jetzt lesen

Mehr Nachfrage, weniger Züge – woran liegt das?

Zuletzt wurden einige Verbindungen gestrichen, vor allem in Randzeiten und am Wochenende. Wie passt das damit zusammen, die Verkehrswende voranzutreiben?

Jetzt lesen
NAH.ran! - Das Magazin

NAH.ran! - Das Magazin für Nachhaltigkeit, Haltung und Mobilitätswende

Magazin als PDF lesen