„Durch nachhaltige Mobilität gewinnen wir Lebensqualität!“

Das Mobilitätswende-Modellprojekt SMILE24 zeigt, wie Menschen in ländlichen Regionen ohne eigenes Auto mobil sein können – rund um die Uhr. Das innovative Projekt für nachhaltige Mobilität in der Schlei-Region stand im Mittelpunkt des NAH.SH-Zukunftsforums am 6. März 2025 im Alten Güterbahnhof in Kiel. Rund 100 Gäste aus Kommunen, Politik und Wirtschaft nutzten die Gelegenheit, sich über die Erfahrungen aus der Modell-Region zu informieren und auszutauschen.

Mobilität im ländlichen Raum – das Thema ist ein Dauerbrenner. Gerade in dünn besiedelten Regionen entscheiden sich die meisten Menschen für das eigene Auto. „Wir haben das Steuer gern selbst in der Hand“, betont Dr. Elisabeth Oberzaucher. Die österreichische Verhaltensbiologin war eine der Gäste auf dem Podium.

Sie ist aber auch überzeugt, dass ein Leben ohne eigenes Auto alles andere als Verzicht bedeutet, im Gegenteil: „Durch nachhaltige Mobilität gewinnen wir Lebensqualität. Sie gibt uns unsere Zeit zurück.“ Die können wir statt am Steuer im Stau am Laptop im Zug oder mit einem guten Buch im Bus nutzen und genießen. Voraussetzungen dafür: Das Angebot muss leicht zu handhaben, verlässlich sein und unterschiedliche Verkehrsträger kombinieren.

Kombination unterschiedlicher Verkehrsträger

Wie das gehen kann, zeigt SMILE24. „Das ist Tür-zu-Tür-Mobilität rund um die Uhr, ermöglicht durch die Kombination unterschiedlicher Verkehrsträger“, erklärt NAH.SH-Geschäftsführer Dr. Arne Beck. So wurden mit dem Projekt in der Schlei-Region zusätzliche Expressverbindungen eingerichtet, auf denen moderne E-Busse bis zu 30 Prozent schneller zwischen Schleswig, Eckernförde und Kappeln unterwegs sind als bisherige Angebote. Ergänzende Tourismuslinien steuern touristische Hotspots an, und die NAHSHUTTLES fahren als On-Demand-Verkehr bis spät in die Nacht rund 3.600 virtuelle Haltstellen an. Dazu kommen flankierende Angebote von Bike- und Carsharinganbietern.

Tobias von der Heide, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein: „Mit dem Projekt können wir mal in echt und im ländlichen Raum ausprobieren, was wir sonst nur in Denkwerkstätten geplant haben.“ Möglich ist das, weil SMILE24 38,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen, 75 Prozent davon finanziert durch den Bund, 20 durch das Land und fünf über die beteiligten Kommunen. Als sie den Förderantrag beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr gestellt haben, hätten sie selbst nicht ganz an den Erfolg geglaubt, gibt NAH.SH-Prokuristin Petra Coordes zu. Inzwischen zeigten die Zahlen, dass die Idee aufgeht: Verglichen mit der Zeit vor dem Deutschlandticket sind 50 Prozent mehr Fahrgäste im ÖPNV in der Region unterwegs. Und die meisten sind zufrieden.

Zeitersparnis durch On-Demand-Verkehre

Warum das so ist, wurde in den Gesprächen auf dem Zukunftsforum immer wieder deutlich. Petra Coordes „Die Entscheidung für nachhaltige Verkehre zahlt auf sämtliche gesellschaftliche Aspekte ein.“ (s. auch Kasten Vorteile von SMILE24) Auch wirtschaftlich bringen solche Projekte enorme Vorteile. Davon ist Anthony Armiger II überzeugt. Er ist bei NAH.SH für die On-Demand-Mobilität zuständig. „Zeit ist Geld. On-Demand-Verkehr spart Zeit – nicht nur für die Nutzer*innen, sondern auch für die Planer*innen.“ Und da Projekte wie SMILE24 immer auch wissenschaftlich begleitet werden, stünden den Verkehrsträgern etliche Daten zur Verfügung. Die ermöglichen es, den Verkehr immer besser an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen.

„Noch sind wir in der Laborphase“, betonte auch Heiko Hecht, Leiter des ÖPNV-Betriebes des Kreises Schleswig-Flensburg, einer der beiden an SMILE24 beteiligten Kreise. Um die Verkehre weiter zu optimieren, werde nun auch ausprobiert, wie künstliche Intelligenz eingebunden werden kann. „Solche Reallabore sind wichtig, um Dinge zu verstehen“, ergänzte Dr. Alexandra Benseler, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Deutschen Institut für Urbanistik und verantwortlich für die Themen ÖPNV und On-Demand-Verkehr.

SMILE24 als Sprungbrett

Natürlich stünden die Möglichkeiten von SMILE24 nicht jeder Region zur Verfügung – allein schon aus finanziellen Gründen. „Wir wollen aber gucken, wie wir einzelne Aspekte aus SMILE24 auf andere Regionen übertragen können“, erklärte Tobias von der Heide. Das Projekt sei ein Sprungbrett, so der Staatssekretär. Die Frage sei nun: „Welche Regionen sind bereit, dieses zu nutzen?“ Wie SMILE24 nach Ablauf der Projektlaufzeit Ende dieses Jahres weitergeht, steht noch nicht fest. Tobias von der Heide betonte jedoch, dass die Politik sich ganz bewusst den Schwerpunkt gesetzt habe, den öffentlichen Verkehr zu verändern. „Schon jetzt ist hier Großartiges erreicht worden.“

Wer selbst einmal ausprobieren möchte, wie ein so ein großartiges nachhaltiges Mobilitätsangebot funktioniert, sollte für diesen Sommer also unbedingt einen Ausflug in die Schlei-Region einplanen – natürlich mit öffentlichem Nahverkehr.

Auf einen Blick: Vorteile von SMILE24

  • Mehr Selbständigkeit für Jugendliche durch Unabhängigkeit vom „Elterntaxi“
  • Bezahlbare Mobilität für Menschen mit geringerem Einkommen
  • Unabhängigkeit vom Auto für Menschen mit sehr frühen oder sehr späten Arbeitszeiten, zum Beispiel in der Pflege
  • Mehr Selbständigkeit für ältere Menschen durch die Möglichkeit, sich selbständig versorgen und am kulturellen sowie gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können
  • Wichtiger Beitrag zur Mobilitätswende als Baustein im Kampf gegen den Klimawandel

Was ist On-Demand-Verkehr?

„On demand“ heißt wörtlich übersetzt „auf Nachfrage“. On-Demand-Verkehre sind Mobilitätsangebote auf Bestellung. Bei NAH.SH werden sie per App oder telefonisch gebucht und fahren sogenannte virtuelle Haltestellen an. Das sind Haltepunkte, an denen zwar keine Haltestellenschilder stehen, die aber in der NAHSHUTTLE-App angezeigt werden. Das System bündelt möglichst viele Fahrtanfragen und berechnet die günstigsten Routen.

Das On-Demand-Angebote von NAH.SH sind die NAHSHUTTLEs. Das sind hybrid oder voll elektrisch betriebene Fahrzeuge, in denen auch Rollstuhlfahrer*innen und Kinderwagen Platz finden.

NAHSHUTTLEs sind im Rahmen von SMILE24 in der Schlei-Region unterwegs. Zusätzlich fahren sie in der Region Rendsburg (vorher: remo) und sind im mittleren Nordfriesland unter dem Namen Lüttbus auf den Straßen. NAHSHUTTLEs sind u. a. mit dem Deutschlandticket nutzbar.

www.nahshuttle.sh

Projekte zu nachhaltiger Mobilität in SH

SMILE 24

SMILE24 steht für Schlei-Mobilität: innovativ, ländlich, emissionsfrei und 24/7.

Hier werden verschiedene Verkehrsträger kombiniert, um im ländlichen Raum Rund-um-die-Uhr-Mobilität ohne eigenes Auto zu ermöglichen.

Umsetzungsgebiet: Schlei-Region
Verkehrsträger: Busangebote mit zusätzlichen Express- und Tourismus-Buslinien, On-Demand-Angebot mit NAHSHUTTLEs, Bike- und Carsharingangebote
Laufzeit: 3 Jahre, bis Dezember 2025
Projektförderung: 38,5 Mio. Euro, davon ca. 75 % Bundesmittel
Auszeichnungen: Deutscher Tourismuspreis 2024, Deutscher Mobilitätspreis 2024, Kategorie Praxisbeispiele
smile24.nah.sh

ÖVer.KAnT

ÖVer.KAnT steht für die Stärkung des Öffentlichen Verkehrs. Kreisübergreifende Angebotsoffensive zum Ausbau und zur Schaffung eines metropolitanen Stadt-Land-Taktes.
Umsetzungsgebiet:
Gebiet der Kreise Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg
In dem Projekt wurde das ÖPNV-Angebot durch neue (Express-)Buslinien, die Einführung automatisierter Bus-Shuttles im Linienverkehr und dem Ausbau eines On-Demand-Dienstes ausgebaut.
Laufzeit: 3 Jahre, bis Dezember 2024
Projektförderung: 16 Mio. Euro

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